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Inspiration

 

Hier finden Sie von Zeit zu Zeit kurze Impulse.

 

 

Frei und verwurzelt

 

Leben in unserer komplexen Welt kann wohl nur gelingen, wenn es dialektisch gedeutet und gelebt wird - wenn wir zu einer dynamischen Balance der existenziellen Gegenkräfte finden (vgl. hier). Dieser Spannungsbogen wird auch in den Werten Freiheit und Beständigkeit spürbar. Hermann Hesses Gedicht ‘Stufen’ ist vielzitiert und sein ‘Anfangszauber’ sprichwörtlich für mutigen und notwendigen Aufbruch geworden. Friedemann Schulz von Thun hat nun in seinem aktuellen Buch ‘Erfülltes Leben’ ergänzend den Wert der Beständigkeit herausgearbeitet. Denn wo Freiheit jede Beständigkeit und Verwurzelung hinter sich lässt, droht sie im radikal Relativen den Halt zu verlieren. Gleichzeitig gilt: wo Beständigkeit jede Freiheit verliert, kann sie in pedantischer Beharrung erstarren. Es gilt also die Balancierung beständiger Freiheit und freier Beständigkeit zu verwirklichen. Doch lesen Sie selbst…

STUFEN [Hermann Hesse]
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, blüht jede Weisheit auch und jede Tugend zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein und Neubeginne, um sich in Tapferkeit und ohne Trauern in andre, neue Bindungen zu geben. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen, der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten. Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen; nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde uns neuen Räumen jung entgegen senden, des Lebens Ruf an uns wird niemals enden, wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde!

STAMMSITZ [Friedemann Schulz von Thun]
Wie jeder Baum im Erdreich wurzelt und steht und wächst an seinem Platz, so soll der Mensch dort heimisch werden, wo er in Ruhe reifen kann. Wir sollen nicht nomadenhaft, irrlichternd ziehen von Raum zu Raum, kaum sind wir gerade angekommen, nicht rastlos gleich zum Aufbruch blasen und ruhelos und flüchtig rasen und ohne festen Stammsitz sein. Vergänglichkeit ist uns im Leben von der Natur umsonst gegeben, der Wechsel kommt von ganz allein.

Nur durch Beständigkeit und kluges Walten kannst du Bewährtes lang erhalten und in der Welt geborgen sein. Nur wenn die Seele fest verwurzelt und tief geerdet ist, dann hat sie Halt und hält auch starken Stürmen stand. Wohl mag sie auch von fernen Räumen vielleicht sogar vom Fliegen träumen, doch wenn sie abstürzt und erwacht, dann hat es ihr nichts ausgemacht. Und wenn dich einst der Tod erwartet, sobald es Zeit ist, sei bereit. Dann sei dein Werk, dein Reich, dein Feld in weiser Planung wohl bestellt. Hast du’s mit Sorgfalt übergeben, darfst du erwarten nach dem Leben, den Stammsitz für die Ewigkeit.

Wo finden Sie sich eher wieder? Wie geht es Ihnen mit Menschen aus ‘dem anderen Spektrum’? Wo neigen Sie zur Übertreibung und dürfen sich von dem anderen Wert inspirieren und heilsam begrenzen lassen?

Und kann es sein, dass wir gesellschaftlich zur Zeit in der zunehmenden Polarisierung ein Ringen um diese Werte beobachten? Und dass wir - wie so oft - einander im Konflikt die jeweilige Übertreibung zum Vorwurf machen?

 
Karsten Kranzmann